Irgendwas ist ja immer...
Der Mann an meiner Seite hat Herz.
Andere Männer haben Rücken. Oder Knie.
Hatte er schon. Jetzt hat er Herz.
Für Außenstehende kein Problem:
Die behandelnden Ärzte waren direkt dran am Problem - reine Routine, das Risiko liegt bei einem Prozent, machen wir einen Klappenersatz mittels einer TAVI EvolutR-Prothese.
Ein Freund, den ich zufällig traf, lenkte erfolgreich von seiner Frage "Wie geht es deinem Mann?" ab, indem er einen ellenlangen Vortrag über eigene Beschwerden hielt: "Seit einem Jahr dieser Schmerz in meiner rechten Schulter und keiner kann mir helfen...".
Mich konnte weder das eine noch das andere beruhigen.
Die Frage einer Bekannten "Hat er Angst" ließ mich erbleichen. Natürlich habe ich das vehement verneint. Angst? Mein Mann? Niemals!!!
Männer haben keine Angst.
Aber Frauen.
Der Eingriff fand statt und obwohl mein Kind extra seine Praxis den Angestellten überlassen hatte und mir tapfer zur Seite stand, konnte ich nicht mehr essen und schlafen. Der Anblick meines Liebsten auf der Intensivstation, umgeben von Schläuchen und piependen Geräten, hatte mir jegliche Kraft geraubt.
Selbst die Verlegung auf die Station half mir nicht. Wurde doch zur selben Zeit gerade ein Patient mit Verdacht auf Norovirus eingeliefert.
Ins Zimmer gegenüber!
Die Notärztin, die den Transport begleitete, glich einer Mumie, es waren eigentlich nur die Nase und Augen frei. Die Stationsschwester lief wie eine aufgeschreckte Hummel über den Flur, zog sich hektisch einen grünen Kittel über und begleitete den hochinfektiösen Patienten in sein Zimmer.
Hilfe!
Kaum etwas ist so ansteckend wie ein Norovirus. Nur vollständig vermummt darf man zum Kranken und verlassen darf man ihn nur, wenn man die Schutzkleidung anschließend vernichtet. Ein grüner Kittel! Vorn offen! Hoffte die Schwester, der Virus klammert sich am Kittel fest und wagt sich nicht mehr nach draußen?
Kaum war der Mann an meiner Seite reif für die Reha, haute mich eine Bronchitis aus den Schuhen. Meine Abwehrkräfte hatten sich wohl bei all der Sorge aus dem Staub gemacht. Ich schaffte es gerade noch, den Patienten wohlbehalten einer kompetent wirkenden Aufnahmeschwester in die Hand zu drücken, da machte mein Körper schlapp. Die Augen tränten, die Nase lief, der Husten saß bombenfest, die Bronchien rasselten, mein Körper wollte ohne Umwege direkt ins Bett.
Unser Hund wollte raus. Viermal am Tag, so ist er es gewohnt. Er war nicht kompromissbereit. Kein Hund ist das.
Jetzt ist der Mann an meiner Seite seit einer Woche auf dem Weg nach oben, ein Team von Ärzten, Schwestern, Physiotherapeuten und sonstigem Personal begeitet ihn.
Mich begleitet unser Hund. Wir stapfen um acht Uhr früh bei Regen und Sturm durch die Landschaft und trotzen Viren und Bakterien.
Gestern haben der Mann an meiner Seite und ich das Rehagelände verlassen, um in einem Restaurant am See einen Cappuccino zu trinken. Um uns herum saßen Menschen, die die achtzig locker überschritten hatten. Auf ihren Tellern prügelten sich teilweise drei Stück Sahnetorte um ein wenig Platz. Es war das Angebot des Tages: Kaffee und Torte "satt".
Uns wurde schon vom bloßen Anblick schlecht.
Der Cappuccino war keiner, es war dünner Filterkaffee mit ein wenig Milchschaum.
Es wird Zeit, dass mein Liebster wieder nach Hause kommt!
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