Irgendwas ist ja immer...
Meine Schwester Inge, die seit etwa 50 Jahren in Frankreich lebt, las meinen Beitrag über die Einkaufsgewohnheiten der Franzosen und würde gern noch etwas hinzufügen:
1.
Nicht nur am Samstag sind die Supermarchés bis 22.00 Uhr geöffnet, auch am Sonntag! Dann allerdings nur bis 12.30 Uhr. Trotzdem stehen die Hausfrauen am Montagmorgen schon wieder in der langen Kassenschlange und sei es auch nur wegen eines fehlenden Gewürzes. Vielleicht langweilen sie sich auch nur zu Hause und der Supermarché bietet durch den Informationsaustausch mit der Kassiererin eine willkommende Abwechslung. Man weiß es nicht.
2.
Will man die Ratschläge der Konsumberater aus dem TV beherzigen, wird der Einkauf zum Abenteuer. Angaben zum Herkunftsland und Zusammensetzung des Produktes sind dermaßen klein geschrieben, dass man eine Lupe braucht. Gut wäre auch ein Studium von fünf Semestern Chemie, um zu verstehen, was alles in der Mayonaise drin ist. Das ist in Deutschland allerdings genau dasselbe (Anm. der Autorin).
3.
Männer benutzen gern ihr Handy, um zu Hause bei Germaine (der Begriff für die französische Durchschnittsfrau) anzurufen und um Rat wegen des Fettgehaltes im Ziegenkäse zu fragen. Oder sie wissen nicht, ob sie das Sonderangebot mit dem italienischen Schinken kaufen sollen. Er ist nur noch einen Tag haltbar. Es ist zum Wahnsinnigwerden, weil sie währenddessen die Gemüsewaage blockieren, statt in einer stillen Ecke zu telefonieren.
4.
Ganz schlimm wird es, wenn du besseres Zeug wie Champagner oder Cognac kaufen möchtest. Hast Du endlich die richtige Sorte gefunden und möchtest sie aus dem Regal ziehen, ist dieses nur mit einem Schlüssel zu öffnen. Den hat aber die Kassiererin und willst du dir nicht den Unwillen aller in der Kassenschlange anstehenden Kunden zuziehen, musst auch du dich anstellen und warten, bis du an der Reihe bist. Hat dir die Kassiererin das Gewünschte übergeben, musst du dich erneut anstellen - um zu bezahlen.
Meine Schwester pflichtet mir bei: die beste Zeit für einen Einkauf im Supermarché ist mittags. Aber nicht, um etwas zu reklamieren! Das macht nur der Chef de Rayon und der ist über Mittag zu Hause.
Sie meint, früher, als man noch in einzelnen Läden einkaufte, gab es all diese Probleme nicht. Allerdings war man auch damals nicht gegen die langen Gespräche der Kassiererin mit einzelnen Kunden gefeit - eher im Gegenteil. In Zeiten ohne Smartphone kannte man sich meistens persönlich und war bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen gemeinsam anwesend. An der Kasse wurde dann alles noch einmal durchgegangen: c'était une belle fête - was soviel heißt: war wirklich ein schönes Fest.
Aber verglichen mit Griechenland oder dem Iran - sagt Inge - ist ihr die Einkauferei in Frankreich noch lieber. Im Iran stört man nur, wenn man in den Laden kommt, weil der Besitzer irgendein orientalisches Brettspiel mit Freunden spielt und man muss sich die Waren selbst in Tüten füllen. Und in Griechenland wird dein Gemüse mehr oder weniger lustlos auf einer Waage abgewogen, man bekommt keinen Kassenzettel und kann so nicht einmal überprüfen, ob man über's Ohr gehauen wurde.
Und Inge muss es wissen: sie hat in beiden Ländern schon gelebt...
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