Irgendwas ist ja immer...
Ich habe es eilig.
Der Mann an meiner Seite bleibt bei der Bullenhitze im Auto, weil wir einen Platz in der Tiefgarage des Supermarktes gefunden haben und es dort bei geöffneten Autotüren schön kühl ist. Unser Hund hechelt zum Gotterbarmen.
Ich rase los - mein Mann wartet nicht gern. Außerdem hat er Hunger und das macht seine Laune in der Regel nicht besser.
Nach fünf Minuten habe ich bei der ganzen Hin- und Herrennerei vergessen, wo ich meinen Einkaufswagen hingestellt habe, finde ihn aber Gott sei Dank schnell wieder. Jetzt halte ich ihn aber gut fest und suche die göttlichen Karamellbonbons, die es nur hier gibt. Leider sind sie nicht an ihrem angestammten Platz - Sortiment umgeräumt?
Dafür sehe ich etwas anderes: Ein kleiner alter Mann, der einen etwas verwahrlosten Eindruck macht, sieht mich aus der Entfernung aufdringlich an. Was will der von mir?
Solche Leute ignoriert man am besten, sage ich mir und suche im nächsten Gang.
Das Männlein kommt näher und sieht einfach in meinen Einkaufswagen. Das finde ich jetzt aber dreist und frage "Ça va?", was soviel heißt wie "Geht's gut?", kann aber auch heißen "Mach dich vom Acker!"
Mein Verfolger antwortet mit einem Redeschwall. Ich verstehe kein Wort. Er hat keine Vorderzähne mehr, das macht die Sache nicht besser. Außerdem spricht man in Paris das beste, in Südfrankreich das unverständlichste Französisch.
"Vollpfosten", denke ich, lasse ihn einfach stehen und suche weiter. Inzwischen bin ich beim Olivenöl, das braucht man immer und ich schmeiße eine Flasche in meinen Wagen.
Zu meinem großen Erstaunen muss ich feststellen, dass es gar nicht mein Wagen ist. Nichts von dem, was dort liegt, gehört mir. Es kann nur eine Erklärung geben: Ich bin die ganze Zeit mit einem völlig fremden Wagen durch den Supermarkt gefahren. Und ich weiß auch schon, wem er gehört - der Besitzer ist mein Freund, der zu Recht seine Waren zurück haben möchte und mich aus diesem Grund hartnäckig verfolgt hat. Er steht schon wieder hinter mir. Zahnlos grinst er mich an und ich möchte im Mauseloch verschwinden.
Himmel noch einmal - ich und meine Vorurteile!
Meine gestammelten Entschuldigungen nimmt er großzügig zur Kenntnis und verschwindet pfeifend in der Weinabteilung.
Meinen eigenen Wagen entdecke ich übrigens kurze Zeit später vor der Fischtheke.
Bei einem allerletzten Versuch, die Bonbons doch noch zu finden, treffe ich zum vierten Mal auf den kleinen Mann. Verschmitzt wedelt er mit dem rechten Zeigefinger: "Oh, la la, Madame...".
Jetzt reicht es mir aber. Ich schmeiße meine Waren auf das Kassenband, zahle und verlasse fluchtartig das Gebäude.
Der Mann an meiner Seite sieht mich fragend an: "Warum kommst du erst jetzt?"
"Ich habe mich mit einem kleinen Mann um einen Einkaufswagen gestritten. Er wollte um keinen Preis nachgeben. Die sind schon komisch, die Franzosen..."
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