Irgendwas ist ja immer...
Ich brauche einen neuen Badeanzug.
April ist keine gute Zeit für solch einen Kauf. Erstens sitzen die ganzen Kringel und Marzipanschweinchen aus der Weihnachtszeit immer noch wie Blei auf den Hüften und zweitens ist der Körper winterblass.
Eigentlich könnte ich warten, bis ich in der Oase aller Bademoden in St. Tropez bin, um mich dort zu informieren, was denn die Schönen und Reichen in diesem Jahr so tragen. Aber, um ehrlich zu sein, so etwas möchte ich nicht. Wenn ich bei meinem Frisör in die "Gala" sehe, frage ich mich oft genug, warum sich so viele Frauen leichten Herzens zum Affen machen. Haben die keinen Spiegel? Oder glauben sie allen Ernstes durchgeknallten Modedesignern, dass deren wie auf Speed entworfene Mode sie schöner macht?
Am liebsten möchte ich ein ganz sportliches Model. So einen Profibadeanzug, schwarz mit den berühmten weißen Streifen an der Seite. Wenn ich schon nicht schwimme wie ein Sportler, möchte ich wenigstens so aussehen. Und so etwas gibt es nicht an der Cote d'Azur.
Der Mann an meiner Seite möchte mitkommen, was ich mit ganz gemischten Gefühlen annehme. Bei so einem kniffeligen Kauf bin ich ehrlich gesagt gern allein. Aber vielleicht ist es nicht schlecht, eine zweite Meinung einzuholen. Ich habe mal gelesen, dass man vor dem Spiegel nicht objektiv ist und sich immer von seiner besten Seite her betrachtet.
Das ist in dem Sportkaufhaus, in das wir uns begeben haben, zu meinem großen Entsetzen nicht möglich. Hier gibt es vor dem Spiegel keine beste, noch nicht einmal eine halbwegs gute Seite.
Ich probiere ein sportliches Modell, welches den Rücken allerdings mit diversen Schnüren einengt (wieso nimmt man auch am Rücken zu??), und als ich es endlich übergezogen habe, bietet sich mir in erbarmungslosem Neonlicht folgendes Bild:
Da es ein kalter Tag ist und ich nicht weiß, wer alles vor mir mit nackten Füßen auf dem nicht mehr ganz neuen Teppichboden der Umkleidekabine gestanden hat, habe ich meine dicken Socken lieber anbehalten. Dasselbe gilt für meine Wäsche. Wer weiß, was vorher schon alles im Modell "Performance" gesteckt hat. Leider guckt meine Unterwäsche rechts und links am Beinausschnitt von "Performance" hervor, was irgendwie blöd aussieht. Meine winterliche Haut sieht genau so blass aus, wie sie ist. Man kann es gut sehen, weil ein Spiegel frontal, zwei Spiegel an den Seiten und ein weiterer so angebracht ist, dass man sich von hinten gut betrachten kann.
In einem Licht, welches meinen Körper leicht grünlich wirken lässt.
Und so ist es gut zu sehen, dass "Performance" im Rücken aus einem Guckfenster besteht, welches mit kreuzweise angebrachten Trägern straff gehalten wird. Dieses modische Detail hat zur Folge, dass man das Modell mindestens zwei Nummern größer braucht - sonst schneiden die Träger erbarmungslos in die Haut ein und das macht die Trägerin nicht schöner. Auf dem Bügel sah "Performance" eigentlich groß genug aus, läuft das Modell ein, wenn es Körperkontakt bekommt?
Von vorn geht es, obwohl - wenn ich ganz ehrlich bin - auch hier die nächste Größe nicht schlecht wäre.
Was um Himmels Willen hat sich Addidas dabei gedacht? Kann man Größe 38 nicht wie 38 zuschneiden? Ist denen nicht klar, dass es psychisch ganz ganz schlecht ist, wenn im Vorjahr noch Gr. 38 passte und jetzt plötzlich wie aus heiterem Himmel Gr. 42 sein muss? Haben die keine Ahnung von Frauen?
Der Mann an meiner Seite wird langsam vor der Umkleidekabine unruhig. "Kann ich schon mal gucken?"
"Neiiiin, kannst du nicht, bleib draußen!"
Runter mit dem Ding, rein in die warmen Sachen und raus aus dem erbarmungslosen Licht, ich will nach Hause.
Wenn ich Bademoden verkaufen würde, würde ich die Umkleidekabine mit weichem Licht ausstatten, lediglich einen Frontspiegel in bräunlichem Glas aufstellen (am Strand sieht man sieht man sich ja auch nur von vorn), eine Fototapete mit blauem Meer und Palmen rings um den Spiegel anbringen und mit leiser Musik und Wellenrauschen hawaimäßiges Feeling verbreiten lassen.
Übrigens sah ich neulich am Strand ein weibliches Wesen mit einem "Performance" nicht unähnlichen Badeanzug. Das Guckloch auf dem Rücken saß locker dort, wo es hingehörte - alle Schnüre drumherum ebenfalls. Auch von vorn hatte "Performance" noch ordentlich Spiel.
Die Trägerin war ein kleines Mädchen von neun Jahren!
Geht doch...
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