Irgendwas ist ja immer...
Unsere Bundeskanzlerin krempelt jetzt aber wirklich die Ärmel hoch. Den Blick verschwörerisch gen Himmel gerichtet, als hätte sie mit unserem Herrgott ein ganz persönliches Abkommen getroffen, den blauen Blazer straff über Brust und Hüfte geknöpft, kündigt sie jetzt endlich zusätzliche Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus und andere Bedrohungen an.
Toll!
"Wo immer sich Lücken ergeben, müsse man nachsteuern und sich neue Varianten der Sicherheit überlegen".
Jawoll!!
"Vor allen Dingen mehr Polizei".
Na, das hört doch der deutsche Bürger gern. Mehr Polizeipräsenz allerorten kommt immer gut an.
Währenddessen überlegt sich die Kanzlerin auch noch neue Varianten der Sicherheit.
Wie jetzt???
Kann man das auch etwas genauer formulieren? Oder geht sie da konform mit ihrem Innenminister, der uns Deutsche vor nicht allzu langer Zeit mit dem Satz verwirrte:
"Die Lage war so ernst, dass wir nach vielerlei Abwägungen, die auch bis zum Nachmittag zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, sehr schnell der Auffassung waren, dass eine Durchführung nicht zu verantworten war".
Hä???
Über ein denkbares Burka-Verbot äußert sich die CDU-Chefin ausweichend, aber mehr Polizei, das kommt klar und deutlich rüber.
Dabei wäre das gar nicht nötig.
Deutschland hat schon eine Unmenge von zusätzlichen Polizisten. Sie sind überall zu finden. Vor allen Dingen aber sitzen sie auf einer Parkbank an den Parkplätzen des Segeberger Klinikums.
Und gerade da, genau vor dieser Parkbank, will ich einparken. Zugegeben, die Parklücke ist nicht besonders groß. Eigentlich ist sie ziemlich klein.
Macht nix, ich habe ja das Park-Pieps-System in unserem TIguan. Hinten. Vorn kann ich die Lage selber kontrollieren.
Vier Augenpaare beäugen scharf jede meiner Lenkbewegungen.
Nach einigem Hin und Her bin ich drin. In der Parklücke. Der Mann an meiner Seite steigt ganz entspannt aus, ich auch. Sogar unser Hund ist ganz entspannt.
Wir sind schon fast auf dem Weg zu einem leckeren Cappuccino in dem kleinen Cafe am See, da werden wir zurückgepfiffen:
"Das ist Fahrerflucht!"
Perplex drehe ich mich um.
Wer da so gut aufgepaßt hat, entpuppt sich als korpulenter Mittfünfziger im ballonseidenen Jogginganzug. Wahrscheinlich ein Insasse der Klinik. Drei weitere Insassen nicken im Takt zu dem Gesagten wie drei Wackeldackel.
"Sie haben den angefahren und jetzt wollen sie sich aus dem Staub machen". Sein ausgestreckter Zeigefinger weist auf einen alten Renault, der hinter mir steht und an dessen Stoßstange nicht die allerkleinste Schramme zu sehen ist. Ich habe noch nicht einmal etwas von dem Schmutz an der Stoßstange verwischt.
Vorsichtshalber gehe ich in die Knie und untersuche auch die Stoßstange unseres Autos.
Nichts! Nicht die geringste Schramme oder Beule.
Die vier Augenpaare von der Parkbank versuchen, mich mit ihren Blicken am Tatort festzunageln.
Was soll ich machen? Ich kann noch nicht einmal einen Zettel unter den Scheibenwischer des Renault klemmen, um einen Schaden zu melden.
Es gibt keinen Schaden!
Das sieht der Ballonseidene anders:
"Der Wagen hat einen richtigen Satz nach hinten gemacht, so sehr haben sie ihn angestoßen. Wenn sie jetzt weggehen, rufe ich die Polizei". Zur Bekräftigung wedelt er mit seinem Handy hin und her.
Jetzt platzt dem Mann an meiner Seite der Kragen:
"Geben sie schon das Handy her, ich rufe jetzt selber die Polizei".
Die ist gar nicht erfreut, bei solchen Bagatellfällen kommt eine Streife höchst ungern, sie haben genug zu tun mit den Demonstrationen der Rechten und Linken. Aber es nützt nichts, die Vier von der Bank sehen mittlerweile aus, als würden sie mich persönlich an die Bank fesseln, sollte ich den Versuch machen, mich zu entfernen.
Nach zehn Minuten, in denen unser Hund an der Leine zerrt, weil er am See entlanglaufen möchte und mein Appetit auf einen Cappuccino sich ins Unermeßliche steigert, kommt ein Streifenwagen. Zwei junge Polizisten, die in ihren schmucken schwarzen Uniformen aussehen wie aus "Notruf Hafenkante", steigen aus und hätten gern was zum Sachverhalt gehört.
Das übernehme ich und lächele beide verschwörerisch an. So ganz nach dem Motto: Mal ganz unter uns, Jungs, ich weiß auch nicht, was dieser ganze Unfug soll.
Beide Polizisten untersuchen die Stoßstange des Renault, sehen sich unser Auto an und wenden sich dann den vier Zeugen auf der Parkbank zu.
"Was soll das jetzt? Da ist kein Schaden zu sehen."
Jetzt kommt der Ballonseidene in Fahrt: "Die Frau hat den Renault so weit - er zeigt eine große Spanne mit den Armen an - nach hinten geschoben. Der hat einen richtigen Satz gemacht". Die anderen drei Köpfe nicken dazu.
Der Polizist drückt auf die Kühlerhaube des Renault und wippt kurz hin und her. Dann sieht er in den Innenraum des Autos.
"Der Wagen kann sich noch nicht einmal zwei Zentimeter bewegt haben. Die Handbremse ist angezogen".
Der Ballonseidene beharrt auf seiner Meinung, aber die Polizisten haben jetzt die Faxen dicke. Sie erklären mir, dass ich mich vom Tatort entfernen könne, meine Personalien hätte man, aber ich würde mit Sicherheit nichts mehr von dieser Sache hören. Schönen Tag noch.
Der Ballonseidene macht einen letzten verzweifelten Versuch:
"Aber meine Personalien, wollen sie die nicht aufnehmen?"
"Ne, ne, lassen sie mal", knurrt einer der Polizisten. Er will jetzt endlich zurück auf die Wache.
Und wir wollen endlich zum Cafe am See. Cappuccino und Törtchen ordern. Und uns in dem sicheren Gefühl wiegen, dass uns in diesem Land nichts passieren kann, so lange es Männer auf Parkbänken gibt.
Vielleicht ist das eine der neuen Varianten, von denen unsere Kanzlerin gesprochen hat. Vielleicht führt sie ihr Weg ja einmal nach Segeberg. Und dann bekäme der Ballonseidene endlich sein erhofftes Lob ausgesprochen.
Vielleicht...
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