Irgendwas ist ja immer...
Wir suchen eine Wohnung.
In unserer Hauptstadt.
Wenn wir unsere Kinder besuchen, muss eins unserer Enkelkinder regelmäßig sein Zimmer für uns räumen, das muss aufhören.
Außerdem lieben wir Berlin, haben hier doch schon unsere Großeltern und Eltern gelebt und jetzt eben unsere Kinder und Enkelkinder. Das verbindet.
Und nun suchen wir.
Mindestens einmal am Tag bekomme ich eine Mail von unserer Tochter mit den schönsten Bildern von eleganten Wohnanlagen, die zwischen alten Bäumen in edlen Villenstraßen stehen oder stehen werden.
Stehen sie noch nicht, hat man mittels Computertechnik Wohnungen entworfen, die mein Herz augenblicklich höher schlagen lassen. Sogar elegante Korbmöbel für die Terrasse stehen schon zwischen Zitronenbäumchen und warmer Sonnenschein hüllt alles in freundliches Licht. In Gedanken serviere ich dem Mann an meiner Seite und natürlich unseren Freunden, die uns in Berlin besuchen werden, einen Cappuccino in diesem edlen Ambiente, bevor wir uns nach innen begeben, um in unserem Esszimmer mit offener Küche ein perfektes Menü zu uns nehmen.
Läuft.
Die Sache hat nur einen kleinen Haken:
Bevor wir so ein kleines Juwel erstehen können, müßten wir unsere Ferienwohnung an der Cote d'Azur verkaufen. Toplage, Meeresblick, großer Pool, zwei Terrassen, geschmackvoll gestaltet.
Leider haben wir ein handfestes Problem:
Britische Käufer halten sich z.Zt. dezent zurück. Bevor dieser miserable Brexit nicht vom Tisch ist, geben die Engländer kein einziges unnötiges Pfund mehr aus.
Und Franzosen, die ihre Cote d'Azur eigentlich über alles lieben, kaufen keine Immobilien mehr. Attentate von islamistischen Irren haben dieses Land in den Grundfesten erschüttert und selbst unerschrockene Franzosen meiden die Gegend um Nizza und verschanzen sich lieber auf einem Bauernhof auf dem Land.
Und als wäre dies alles nicht genug, wird Frankreich seit einiger Zeit von einer Systemkrise beherrscht: Keiner legt mehr die Hand dafür ins Feuer, das nicht ein linksradikaler Antieuropäer oder die Rechtspopulistin Marine Le Pen das Steuer nach den Präsidentschaftswahlen in die Hand nehmen werden.
Kein glücklicher Zeitpunkt also, um eine Luxusherberge in Südfrankreich zu verkaufen.
Gut. Kann man jetzt auch nicht ändern.
Wir suchen trotzdem weiter. Seine Traumimmobilie findet man eben nicht von heut auf morgen und je eher man mit dem suchen anfängt, um so besser.
Habe ich also wieder eine Mail meiner Tochter erhalten, setze ich mich ans Telefon und fordere bei dem Investor der schicken Immobilie erste Auskünfte und Unterlagen an.
Das Dilemma ist leider, dass in den Verkaufsbüros gar keine kompetenten Mitarbeiter mehr sitzen. Diese Stimmen, die sich melden, hören sich an, als gehören sie kleinen Mädchen, denen man im Schnellverfahren folgende Sätze beigebracht hat:
"Ich darf keine Auskünfte geben."
"Das darf nur Frau Bogenhausen-Wenderich und die ist im Moment nicht da."
"Geben sie mir ihre Mobilfunknummer, dann ruft sie zurück."
Das alles hört sich an, als telefoniere ich mit einer Mickeymaus.
Im Grunde ist das mit dem Rückruf keine schlechte Idee. Nur - Frau Bogenhausen-Wenderich meldet sich nicht zurück. Oder sie ruft - trotz meiner ausdrücklichen Bitte, mich unter meiner Festnetznummer anzurufen - auf meinem Handy an. Dies befindet sich in der Regel in den unergründlichen Tiefen meiner gewaltigen Handtasche, so dass ich das Klingeln nicht höre. Dann habe ich eine Nachricht auf meiner Mailbox und stelle zu meinem Erstaunen fest, dass auch Frau Bogenhausen-Wenderich eine Mickeymausstimme hat.
Sucht man Bewerberinnen in der Immobilienbranche nach ihrer Stimme aus? Oder werden die auf Minimaus geschult?
Nach drei vergeblichen Versuchen, etwas mehr über das Sahnestück in Berlins Edelmeile zu erfahren, platzt mir der Kragen:
Mein vierter Anruf bei Mickeymäuschen in der Zentrale des Immobilienunternehmens ist wenig verbindlich:
"Wenn ich nicht innerhalb von einer Stunde zurückgerufen werde, von wem auch immer, und endlich vernünftige Auskünfte über die gewünschte Wohnung bekomme, können sie mich als Kunden vergessen. Schließlich wollen sie ihre hochpreisige Immobilie an den Mann bringen. Oder nicht?"
Mickeymäuschen denkt offensichtlich nach. Es ist still in der Leitung. Dann hat sie eine Lösung:
"Sagen Sie mir, wann sie unter ihrer Festnetznummer heute zu erreichen sind. Frau Bogenhausen-Wenderich ruft sie dann bestimmt zurück."
Ich nenne eine Uhrzeit und Mickeymäuschen zwitschert noch etwas von einem schönen Tag. Dann ist es still in der Leitung.
Zur gewünschten Zeit lauere ich am Telefon.
Nichts.
Nach einer Stunde drängt mich der Mann an meiner Seite endlich das Abendessen zu machen und nach einer weiteren halben Stunde sitzen wir traut bei einem Glas Rotwein und Coq au Vin am gemütlichen Küchentisch.
Da geht mein Handy.
Frau Bogenhausen-Wenderich ist dran.
Sie hätte einen Kunden gehabt, daher die Verspätung.
"Ich hatte um Rückruf auf Festnetz gebeten," knurre ich und schlucke ein großes Stück Huhn hinunter.
"Ich weiß," kiekst Mickeymäuschen Bogenhausen-Wenderich, "aber auf meinem Mobiltelefonbin ich auf "Antworten" gegangen und das ist dann wohl die falsche Nummer gewesen, oder?"
Unser Gespräch wird kurz. Obwohl ich erfahre, dass ich mit dieser Immobilie "sagenhaft gut aufgestellt" bin, finde ich die angebotene Wohnung zu klein, das wird nichts mit unseren gewaltigen Möbeln aus Mahagoni. Natürlich weiß ich, dass Ikeas Klappmöbel besser platziert werden könnten, aber was will man machen. Unser Mobiliar stand schon bei den Großeltern in Berlin und dahin soll es auch wieder zurück.
Suchen wir eben weiter.
Demnächst lande ich garantiert bei Mickeymäuschen 3 und vielleicht hat die etwas für uns. 140 qm mit Terrasse in Sonnenlage.
Wird schon...
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