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Irgendwas ist ja immer...

Meine Uhr geht nicht mehr.
Sie ist ein Geschenk vom Mann an meiner Seite. Abgebildet sah ich sie in einem Hochglanzmagazin und wusste auf der Stelle: Ich muß sie haben. Rechteckig mit winzigen Brillanten auf dem schmalen goldenen Rand und einem edlen braunen Lederarmband - ich konnte an nichts anderes mehr denken. Der Hersteller hieß Alexis Barthelay und vertrieb das teure Stück nur in Frankreich, so erfuhr ich nach hartnäckiger Recherche.
Kein Problem.
Der nächste Besuch bei meiner Schwester in Paris bot Gelegenheit, das gute Stück zu erwerben. Nur - es war wie mit der berühmten Nadel im Heuhaufen. In Zeiten, in denen ich noch kein Internet nutzen konnte, klapperten wir gefühlte sämtliche Juweliere der französischen Hauptstadt ab, allein - keiner bot diese Uhr an. 

Zurück in unserer Heimatstadt startete der Mann an meiner Seite einen letzten Versuch:
Er ging mit mir zu Mahlberg, dem größten Juwelier des Ortes. Der Inhaber, der sich vorzugsweise mit Franzl Beckenbauer auf den Golfplätzen unserer Republik tummelt, war ausnahmsweise selbst in seinem luxuriösen Laden und fragte nach unserem Begehr. Ohne mit der Wimper zu zucken, holte er eine Schublade unter dem Verkaufstresen hervor und - da lag sie auf schwarzem Samt: Meine Alexis Barthelay.
Und dafür waren wir nun kreuz und quer durch Paris gelaufen, nur um sie hier zu finden. Vor unserer Tür.
Nee aber auch.
Und nun geht sie nicht mehr. Die Batterie kann es nicht sein, die ist so gut wie neu.
Was dann?
Am besten ist, ich gehe dahin zurück, wo wir sie erstanden haben: Zur Firma Mahlberg.
Hinter der Tür steht ein schwarz gekleideter Türsteher, der aussieht, als sollte er unsere Kanzlerin während des G20 Gipfels beschützen. Ich bin mit dem Fahrrad da, das sieht er natürlich und habe auch keinen Ehemann an meiner Seite, der schon rein äußerlich den Eindruck vermittelt, als wolle er mir eine schmucke Rolex aussuchen. Entsprechend mißtrauisch mustert er mich, hält mir aber doch die Tür auf.
Kühl werde ich von einer Verkäuferin, die genauso borniert aussieht wie Paris Hilton, begrüßt: "Sie wünschen?".
Na, das werden wir jetzt doch mal sehen, die wird staunen, wenn ich ihr meine Alexis Barthelay vor die Nase halte.
Ich äußere meinen Wunsch und sie staunt tatsächlich.
"Die Marke führen wir nicht mehr", ist ihr knapper Kommentar.
Gut, die Uhr ist mittlerweile 15 Jahre alt, aber bei dem Preis - ich meine, da kann man doch von einer unbegrenzten Lebensdauer ausgehen, oder?
Sonst noch was? Es fehlt nur noch, dass sie mit der Hand wedelt und mich so von ihrer edlen Arbeitsstätte wegwischt.
Aber so schnell gebe ich nicht auf.
"Kann nicht vielleicht doch ihr Uhrmachermeister einmal einen Blick auf das Gehäuse werfen? Vielleicht ist es ja nur eine Kleinigkeit".
Paris Hilton mustert mich kühl.
"WIR FÜHREN DIESE MARKE NICHT MEHR", wiederholt sie laut und deutlich. Andere Kunden sehen inzwischen zu uns herüber und müssen den Eindruck bekommen, ich möchte eine Jahrmarktsuhr repariert haben.
"Und deshalb haben wir auch das Werkzeug nicht mehr, um das Gehäuse zu öffnen.
Und außerdem" - jetzt schiebt sie mit leicht angeekeltem Gesicht meine schöne Alexis Barthelay über den Tresen - "ist das Glas ja stark beschädigt".
Huch - habe ich da jahrelang etwas übersehen? Ich setze meine Brille auf und beuge mich über die Uhr. Tatsächlich - ein hauchfeines Kratzerchen ist ganz außen am Uhrglas zu erkennen.
Ein letzter Versuch:
"Wissen sie was? Ich lasse Ihnen die Uhr einfach mal da und sie geben sie ihrem Meister. Vielleicht geht ja doch noch was".
Jetzt ist Paris Hiltons Geduld aber am Ende. Mit spitzen Fingern nimmt sie meine Uhr hoch.
"Wenn sie unbedingt wollen - das kostet aber eine Kleinigkeit und wenn sie dabei beschädigt wird, übernehmen wir keinerlei Haftung".
Meine schöne Uhr! Meine Alexis Barthelay! Mein Kleinod, mein Trost an trüben Tagen!
Ich sehe Paris Hilton böse an, reiße ihr die Uhr aus der Hand und schiebe den Bodyguard, der mir die Tür aufhält, beiseite.
Dann eben nicht!!!
Fahre ich nach Hause? Oder soll ich einen letzten Versuch...?
Ich mach's.
10 Minuten später schiebe ich meine Uhr beim Uhrenservicestand der Firma Karstadt dem nett aussehenden Uhrmacher hin.
"Sie geht nicht mehr. Und die Batterie kann es nicht sein, die ist neu".
Freundlich lächelt mich der Uhrmacher an.
"Geben sie mal her, manchmal sind es auch nur die Kontakte".
Problemlos öffnet er das Gehäuse, wischt ein paarmal hin und her und sieht dann prüfend auf das Zifferblatt.
"Geht wieder", sagt er  und reicht mit die Uhr.
Dankbar sehe ich ihn an.
"Was bekommen sie?"
"Nichts" ist die knappe Antwort.
Nee, ist klar. Die Kontakte. Entdeckt durch einfaches Öffnen des Gehäuses. Ganz ohne Alexis-Barthelay-Schraubenzieher.
Einfach so.
Eins ist klar: Bei welchem Juwelier meine nächste Uhr auch immer gekauft wird - Firma Mahlberg wird es nicht sein.
Schönen Tag auch noch, Herr Wintersteller...

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